Retrofitting in der Metall-Industrie
0Das Nachrüsten bestehender Systeme mit Sensortechnik – kurz Retrofitting – ist für viele Unternehmen mittlerweile eine kosteneffiziente Alternative zu teuren Neuinvestitionen. Doch wie sieht erfolgreiches Retrofitting in der Praxis aus? Wie muss man vorgehen? Welche Ansatzpunkte gibt es und was gilt es zu beachten? Das zeigen wir Ihnen in diesem Artikel anhand verschiedener Beispiele aus der metallverarbeitenden Industrie.
Retrofitting wird auch hierzulande immer häufiger dazu genutzt, bestehende Anlagen zu sanieren. Der Grund dafür ist einleuchtend: Das digitale Nachrüsten bestehender Anlagen, Maschinen und Prozessketten ermöglicht es einem Unternehmen, kostengünstiger und effizienter zu arbeiten. Oft fehlt es jedoch an Ideen, wie man im eigenen Unternehmen vorgehen kann und wie man auch die Belegschaft mit ins Boot holt – ein nicht zu übersehender Erfolgsfaktor.
Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben, wie Retrofitting aussehen kann, beschreiben wir Ihnen im Nachfolgenden Praxisbeispiele aus der metallverarbeitenden Industrie und zeigen, wie man unkompliziert Projekte initiieren kann. Den Input dafür haben wir dem Webinar „Erfolgreiches Retrofitting in der Praxis“ entnommen.
Um zu verstehen, wie Retrofitting funktioniert, ist es wichtig, sich ins Gedächtnis zu rufen, wie Unternehmen funktionieren. Im Wesentlichen besteht jede Firma aus drei Silos: den Objekten (etwa den Maschinen), dem Wissen (über Produktion, Herstellung, Vertrieb) und den Mitarbeitern (die sowohl mit den Maschinen arbeiten, als auch für das Produkt und die Herstellung verantwortlich sind). Um eine möglichst hohe Intelligenz in einer Firma zu gewährleisten und damit effektiv zu arbeiten, müssen alle drei Silos miteinander verknüpft sein. Die Objekte müssen mit den richtigen Informationen verbunden sein, die wiederum den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden. Dies ist der wichtigste Grundsatz, um qualifizierte Entscheidungen für das Unternehmen treffen zu können. Doch wie gelingt diese Verknüpfung der drei Silos? Mit IoT, wie sie beim Retrofitting genutzt wird. Mit den eingesetzten Sensoren erhält man Informationen über die Gegenwart und die Vergangenheit des Unternehmens und kann so Aussagen über die Zukunft treffen.
Technologie hinter Retrofitting
Vor dem Hintergrund dieser Silo-Theorie wollen wir uns nun drei Praxisbeispiele ansehen, die dank Retrofitting deutlich effizienter geworden sind. Alle drei Beispiele wurden von der MetaTwin GmbH umgesetzt. Das Unternehmen arbeitet bei der Umsetzung von Retrofitting mit Bluetooth-Beacons, RFID (UHF) und Barcodes (DMC).
Die Informationsausgabe erfolgt entweder über Bildschirme, mobile Endgeräte wie Handys oder auch Brillen. Ein digitales schwarzes Brett und individuelle Dashboards mit relevanten Informationen für einzelne Mitarbeiter erhöhen die Transparenz im Unternehmen und sorgen für mehr Effizienz.
Use Cases
1. Lagerstruktur verbessern
Erstes patentiertes Beispiel für Retrofitting ist eine klassische Lagerhalle eines metallverarbeitenden Betriebs. Das Problem dort waren große Lagerhallen, in denen sogenannte Coils gelagert wurden. Diese Metallspulen waren nur mit einem analogen Ordnungssystem sortiert, das sehr unübersichtlich, umständlich und anfällig für Fehler war. Der tatsächliche Lagerbestand wich deshalb immer etwas von den Aufzeichnungen ab.
Gelöst wurde dieses Thematik durch Bluetooth-Beacons an den Coils und einem Sensor am Lastenkran. Dieser Sensor übermittelt direkt ins System, wo die Coils liegen. So können die Coils jetzt auf bis zu 10 Zentimeter genau lokalisiert werden. Die Daten werden zusätzlich ins ERP-System eingepflegt und auch eine begleitende App für Handys ist bereits in Planung.
Mehr über das hier angewandte Modell des Digitalen Zwillings erfahren Sie in unserem TKmag-Artikel Retrofitting und der digitale Zwilling.
2. Nachverfolgung und Monitoring mithilfe von Retrofitting
Der zweite Use Case, der zeigt, wie Retrofitting hilft, Unternehmen effektiver zu machen, findet sich in einer Verzinkerei. Der Betreiber hatte bei nahezu jedem Teil das Problem, nicht zu wissen, wie lange es im Verzinkungsbecken lag.
Bluetooth-Beacons und RFID-Chips konnten in diesem Fall nicht eingesetzt werden, da ein Zinkbad Temperaturen bis zu 500 Grad Celsius hat, die keine der Technologien überstehen würde. Die Lösung war deshalb ein sogenannter Datamatrix-Code, der in spezielle Metallplatten eingebohrt wurde und durch ein nachgerüstetes Kamerasystem ausgelesen werden kann. So können die Mitarbeiter am Becken jederzeit nachvollziehen, wann ein Objekt in den Kessel geht und wann es wieder herauskommt.
3. Digitale Werkbank
Der dritte und letzte Use Case beschreibt einen Produktionsbetrieb, der wissen wollte, wie CAD-Zeichnungen aus verschiedenen Winkeln aussehen. Dabei wollte das Unternehmen weg von kostspieligen, großen und unhandlichen Papierausdrucken. Die Lösung war die Implememtierung der CAD-Zeichnungen direkt auf das Handy des Meisters. Mittels Retrofitting wurde der direkte Zugriff auf die Unternehmensdatenbank geschaffen, in der die einzelnen CAD-Zeichnungen abgespeichert sind. Geplant ist neben dieser Funktion mittlerweile auch die Erweiterung um andere Daten wie beispielsweise Betriebs- oder Maschinenstunden. Insgesamt hat die Umstellung von Papier auf digital dem Unternehmen mehr Transparenz im laufenden Betrieb eingebracht und wertvolle Arbeitszeit gespart.
Vorteile Retrofitting
Diese drei Use Cases zeigen deutlich, welche enormen Vorteile Retrofitting mit sich bringt:
- Bessere Ressourcen-Allokation im Unternehmen
- Automatisierte Dokumentation von Qualitätsparametern
- Bessere Transparenz und Integration ins ERP-System
- Bestehende Systeme können beibehalten werden
- Interaktive Montageanleitungen ermöglichen schnellere Produktion bzw. Einhaltung von Qualität
- Live-Cockpit (Infoterminal) für Desktop und Mobile geben schnellen Überblick
- Anbindung von Kunden und Zulieferern (neue Optionen für Dienstleistungskonzepte)
Vorgehen um Retrofitting umzusetzen
Auch wenn die Vorteile von Retrofitting klar auf der Hand liegen, ist die Umsetzung gerade am Anfang schwierig. Wichtig ist deshalb, die IT-Strategie konstant zu durchleuchten und Potentiale zu analysieren. Streben Sie stets ganzheitliche Lösungen an, Insellösungen können für den Moment helfen, sollten aber nie das eigentliche Ziel sein. Auch die Akzeptanz und Nutzbarkeit durch den Mitarbeiter ist enorm wichtig, um Retrofitting-Lösungen langfristig ins Unternehmen zu bringen. Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter mit ein, nehmen Sie Argumente und Einwände wahr und ernst.
Fazit
Retrofitting kann helfen, Unternehmen insgesamt effizienter werden zu lassen und Wissen zu bündeln. Dabei ist es enorm wichtig, jedes Unternehmen als Einzelfall zu betrachten und eine maßgeschneiderte Retrofitting-Lösung zu finden.
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