Retrofitting und der digitale Zwilling
0Immer öfter ist in Fachkreisen von zwei neuen Entwicklungen zu hören, die die Digitalisierung des Mittelstands künftig vorantreiben sollen: Der digitale Zwilling und Retrofitting. Was es mit diesen Trends auf sich hat und wie Unternehmen sie für die Optimierung ihrer Systeme und Prozesse nutzen können, haben wir für Sie im folgenden Artikel zusammengefasst.
Der digitale Zwilling
Mit steigender Verbreitung des sogenannten digitalen Zwillings steht der Entwicklung und Fertigung von Produkten sowie dem Betrieb von Anlagen eine Revolution bevor. Der Begriff bezeichnet das digitale Äquivalent einer – physisch vorhandenen oder abstrakten – realweltlichen Begebenheit. Speziell in der Industrie werden hierdurch Gegenstände oder Prozesse in komplexen Modellen abgebildet und vernetzt. Dies kann zum Beispiel über Edge Computing oder virtuelle Maschinen (VM) erfolgen.
Worin besteht nun die revolutionäre Wirkung digitaler Zwillinge? Reine Produktlösungen geraten zusehends ins Hintertreffen. Gefragt sind integrierte Servicelösungen, bei denen der Kunde nicht einmalig eine Maschine kauft – erwartet wird garantiert zufriedenstellende Leistung über vollständigen Lebenszyklus des Produkts hinweg, begleitet von zusätzlichen Service-Angeboten. Nicht die Qualität des Produkts allein entscheidet, sondern das angebotene Gesamtpaket.
Das Konzepte digitaler Zwillinge bildet die Grundlage für dieses ganzheitliche Paket. Erst durch die Vernetzung digitaler und analoger Strukturen lassen sich Produkt- und Servicekonzepte effizient miteinander verbinden und maximaler Nutzen für Käufer wie Anbieter generieren.
Retrofitting: Aufrüsten statt kaufen
Obwohl die Vorteile einer digitalen Modernisierung auf der Hand liegen, stehen Unternehmen aus dem Mittelstand häufig vor der Frage, ob sich die Investition auszahlt. Oft ist es die notwendige Anschaffung neuer Technik und Anlagen, die besonders abschreckend wirkt und so die Einführung neuer, verbesserter Prozesse verhindert.
Eine bewährte oder noch nicht vollständig abgeschriebene Anlage trotz zuverlässiger Arbeit zu tauschen, geht gegen den wirtschaftlichen Instinkt vieler Unternehmer. Auch die Frage, ob sich die Potenziale der Digitalisierung überhaupt in vollem Umfang ausschöpfen lassen oder die finanziellen Mittel für die Investition zur Verfügung stehen, steht Maßnahmen zur Modernisierung gerne im Weg.
Die Antwort auf diese und weitere Bedenken liegt in der Anwendung von Retrofitting (lat. retro = rückwärts, engl. to fit = anpassen). Darunter versteht man das Nachrüsten bestehender Maschinen und Anlagen mit Sensorik und Konnektivität. Veraltete, aber noch funktionstüchtige Produktionsmittel können so auf den technisch neuesten Stand gebracht werden, ohne dass eine Neuanschaffung nötig ist.
- Weniger Schulungsaufwand durch Beibehaltung routinierter Arbeitsprozesse
- Oft erhebliche Kostenersparnis im Vergleich zur Neuanschaffung
- Keine räumliche Umplanung für neue Maschinen oder Prozessketten nötig
- Längere Lebensdauer der Maschinen
- Erfüllung aktueller gesetzlicher Vorgaben (z. B. Betriebssicherheitsverordnung)
- Niedrigere Ausfallzeiten durch vorausschauende Wartung
- Geringere Produktionskosten durch höhere Produktqualität, Energieeffizienz und Produktivität
Die Zukunft ist retro
Damit sich die Daten älterer Maschinen auslesen und verarbeiten lassen, müssen diese nachträglich mit entsprechender Technik ausgestattet werden. In der Regel bedeutet das eine Installation von Sensortechnik und weiterer IoT-Peripherie. Ist diese Nachrüstung erfolgt, fehlt nur noch die Anbindung der modernisierten Anlagen an ein bestehendes oder neues IT-Netzwerk, um ihren digitalen Zwilling aus der Taufe zu heben.
Freilich ist eine solche digitale Nachrüstung kein Allheilmittel. Die Wirtschaftlichkeit hängt je nach Unternehmen und Ist-Situation von diversen Faktoren ab. Bevor mit der Ausführung von Retrofits begonnen wird, sollten also verschiedene Umstände geklärt werden, so wie der Abschreibungszustand und die verbleibende Nutzungsdauer der bestehenden Anlagen, der allgemeine Grad der Digitalisierung im Unternehmen und nicht zuletzt die Frage, ob eine Neuanschaffung nicht unterm Strich vielleicht doch geringere Kosten verursacht.
Festzuhalten bleibt: Die digitale Vernetzung von Produkten und Prozessen ist kein kurzlebiger Trend, sondern steht erst am Anfang. Der digitale Zwilling und Retrofitting sind spannende Werkzeuge, um die Digitalisierung von Unternehmen kostengünstig voranzutreiben.
(Quelle: digitalerzwilling.net)