Edge-Hardware für die Industrie
0In den vorangegangenen zwei Beiträgen dieser Artikelserie ging es darum, was Edge Computing bedeutet und was bei der Auswahl von Hardware für die Edge zu beachten ist. Der dritte und letzte Teil soll beleuchten, warum Edge Computing gerade für das produzierende Gewerbe und Logistik eine große Bedeutung hat und wo die Herausforderungen liegen, um Edge-Systeme im industriellen und produktionsnahen Umfeld erfolgreich zu etablieren.
Edge Computing ist in der Industrie mit den Begriffen Industrial Internet of Things (IIoT), Industrie 4.0 oder auch mit dem sehr allgemeinen Schlagwort von der „Digitalisierung“ verknüpft. Gleichbedeutend sind all diese Begriffe allerdings nicht. Edge Computing ist vielmehr eines von mehreren Mitteln, um die Produktion fit für das digitale Zeitalter zu machen.Ziele von Digitalisierung der Produktion
In der Regel sollen durch verstärkten IT-Einsatz eines oder mehrere der folgenden drei allgemeinen Ziele erreicht werden:
- Flexibilisierung der Produktion
-> durch schnellere Reaktion auf Kundenanforderungen, kleinere Losgrößen oder Manufacturing as a Service (MaaS). - Optimierung der Produktionsabläufe
-> beispielsweise mittels Vernetzung von Anlagen, Datenanalysen oder stärkere Automatisierung in der Produktionssteuerung. - Erhöhung der Zuverlässigkeit und Qualität
-> etwa durch bessere Überwachung und Auswertung von Maschinendaten (Predictive Maintainance), Automatisierung und KI-Methoden in der Qualitätskontrolle.
Sensorik und Steuerung zwischen Vielfalt und Wildwuchs
Dabei fallen Daten aus unterschiedlichen Quellen an, wobei die entsprechenden Schnittstellen – auch hardwareseitig – oft erst noch geschaffen werden müssen. Edge-Systemen fällt dann die Rolle des „Vermittlers“ zwischen der IT und der so genannten Operation Technology (OT) zu, also Steuerungen und Sensorik, die mit völlig anderer Hardware und nach anderen Prinzipien arbeiten wie die IT.
Dazu kommt die fehlende Standardisierung. Speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) unterschiedlicher Hersteller sind untereinander selten kompatibel. Auf der Übertragungsseite kommt statt des gewohnten Ethernet/TCP/IP-Stacks eine Vielzahl unterschiedlicher Bus-Systeme zur Datenübertragung zum Einsatz. Und in nicht wenigen Maschinen und Anlagen steckt sogar noch komplett analoge Sensorik.
Vielfältige Anforderungen an Digitalisierung
Ebenso vielfältig wie die Technik sind die Anforderungen, die sich aus der Art der Daten und ihrer Weiterverarbeitung ergeben. Hierzu einige Beispiele:
Unterschiedliche Schwerpunkte bei Kameras
Zur Qualitätskontrolle bei der Werkstückfertigung kommen oft Hochleistungskameras zum Einsatz. Diese liefern große Datenmengen in kurzer Zeit. Bandbreite und Speicherkapazität auf dem Edge-System stehen also hier im Vordergrund. Anders bei Kamerasystemen, die beispielsweise nur Barcodes, Schrift oder festgelegte Details erfassen. Hier kann die Vorverarbeitung direkt auf dem Edge-System erfolgen. Es ist dann also die Rechenleistung des Systems entscheidender als die Speicherkapazität. Hohe I/O-Leistung ist nur noch einseitig von der Kamera zum Edge-System wichtig.
Verarbeitung von Sensordaten
Sollen Sensordaten aus Anlagen zur Steuerung verwendet werden, ist die Latenz bis hin zur Echtzeitfähigkeit das entscheidende Kriterium. Sensordaten etwa aus der Lagerlogistik hingegen erfordern weder hohe Latenz noch Bandbreite. Dafür ist große Reichweite bei drahtloser Übertragung und vielleicht auch ein geringer Strombedarf der Sensoren erforderlich.
Weitere Anforderungen an die Edge
Hinzu kommen unterschiedliche Anforderungen an die Verfügbarkeit und Sicherheit und unter Umständen noch weitere Erfordernisse, etwa Einschränkungen beim Formfaktor der Hardware, wenn ein Einbau in Schaltschränke nötig ist. Staub, Feuchtigkeit oder Vibrationen können die Verwendung von besonders geschützten Servern erzwingen.
Offenheit und Flexibilität bei Software und Hardware
Auf der Protokoll-Ebene sollten nach Möglichkeit offene Standards, bestenfalls sogar Open-Source-Lösungen eingesetzt werden. Das wird zwar in vielen Fällen nicht über den kompletten Stack hinweg möglich sein, da vorhandene Technologien zu berücksichtigen sind. Jedoch kann eine zu frühe Bindung an komplexe proprietäre Systeme vor allem bei kleineren, abgegrenzten Use Cases die spätere Weiterentwicklung und Integration behindern oder deren Kosten in die Höhe treiben. Denn oft sind es auch zunächst punktuelle Einsätze von Sensorik, Datenerfassung und -Auswertung, die Einsparungen, Verbesserungen im Produktionsablauf oder höhere Flexibilität bringen. Hier ist eine gewisse Hands-On-Mentalität in der Umsetzung sinnvoll. Jedoch darf das nicht zu Lasten späterer Integration gehen. Auch hier sind Edge-Systeme als Mittler zwischen den Protokoll-Welten gefragt.
Was für den Software-Stack gilt, gilt sinngemäß auch für die Hardware. Hier spricht viel für die Verwendung von Standard-Servertechnik, die je nach Anforderungsprofil individuell für den Einsatz als Edge-System fit gemacht wird: Mit Schnittstellen zu Feldbus-Systemen wie CAN, ModBus oder Profinet, Analog-Digitalwandlern, Interfaces für drahtlose Kommunikation oder Anpassungen im Gehäuse-Design, um nur einige Beispiele zu nennen.
Digitalisierung in Industrie vs. klassische IT-Projekte
Das alles zeigt, dass bei der Planung von Digitalisierungsprojekten in der Industrie Hardware-Aspekte wesentlich komplexer sind als bei klassischen IT-Projekten. Server-Anbieter sollten deshalb frühzeitig in die Planung einbezogen werden. Sowohl für Anwender als auch auf der Anbieterseite sind dabei Kooperation und ein funktionierendes Netzwerk für den Aufbau von Know-how und die Auswertung von Erfahrungen wichtig. Thomas-Krenn ist beispielsweise Mitglied im Industry Business Network 4.0 e.V, einem als Verein organisierten Netzwerk von Fertigungsbetrieben, Software-Herstellern, und Automatisierungs-Spezialisten unter Beteiligung der Fraunhofer-Gesellschaft und des TÜV Süd.
Fazit: Edge Industrie-Server
Edge-Systeme sind im Industrie-Umfeld die Vermittler zwischen Operation Technology und Public- bzw. Private Cloud. Standard-Servertechnik sollte die Basis für Edge-Server bilden. Meist sind jedoch individuelle Anpassungen notwendig. Für den Erfolg des Digitalisierungsprojekts ist dabei eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Kunden, Integratoren und Hardware-Anbietern entscheidend.